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Psyche I
(07-2015)
Konkrete Kunst
(Ethik nach geometrischer Methode dargestellt)
Klaus Staudt, „1:2:2“, Unikat, 1977
Gegeben sei ein weißer Würfel mit den Dimensionen a mal a mal a, nicht mehr und auch nicht weniger. Das konkrete Bildwerk, im Grenzbereich zum Konstruktivismus, zur Minimal Art und zur Op Art angesiedelt, definiert sich selbst durch und mit sich selbst. Bezeichnetes und Bezeichnendes sind identisch. Es herrscht der reine Intellekt und scheinbar keinerlei Emotion.
Kalkül bestimmt die Bildstruktur, scheinbar auf mathematischen (algebraischen und geometrischen) Grundlagen, Regeln und Gesetzmäßigkeiten. Konkrete Kunst ist nie figürlich oder gegenständlich, sondern es sind primäre geometrische Grundstrukturen bildlichen Ausdrucks. Es kommen nicht immer ausschließlich die Nichtfarben Weiß, Schwarz und differenzierte Grauwerte zur Anwendung. Farbe kann auch konkret werden (Mondrian – Vermeidung von Symmetrie, Bezug zur Rechtwinkligkeit – van Doesburg, Neoplatizismus – Elementarismus,).
Die Bildwerke scheinen konstruiert und berechnet zu sein. Die trockene Materie der Mathematik (Algebra und Geometrie) scheint hier Pate zu stehen. Konkrete Bildwerke sind nüchtern, sie erzeugen keine Evokation, vielmehr definieren sie ein Etwas. (Das digitale Netz erzählt nicht, es zählt.) Es offenbart sich der reine Intellekt, die Ratio des Erzeugers, die Bilder sind emotionslos.
Konkrete Kunst zeigt sich in den Bildwerken weitgehend anonym und neutral, individuelle Merkmale im Ausdruck oder in der Darstellung differenzieren die jeweiligen Künstler. Die Reduzierung auf primäre geometrische Bildsprachen verleiht dem Bildwerk eine gewisse Anonymität, die mangels Ikonografie keine Übertragung im psychologischen Sinne zulässt. Somit kann im bildkommunikativen Sinne auch kein Schaden angerichtet werden, da eine Symbolik und Symbolisierung nicht gegeben ist, vielmehr ist eine neutrale Kommunikation ohne Sinnebene gegeben..
Emotionen scheinen im konkreten Bildwerk vollends eliminiert zu sein. An ihrer Stelle kann bisweilen Rhythmus und Farbaussage (oft nur Primärfarben) in der konkreten Darstellung hinzutreten.
Konkrete Kunst findet Anwendung in allen Medien der bildenden Kunst, in Zeichnung, Graphik, Druckgrafik, Malerei, Objekt, Skulptur und Plastik in der Bildhauerei.
Die konkrete Kunst wurde eigentlich von Theo van Doesburg 1930 mit seinem Manifest „Art Concret“ (in französischer Sprache) eingeführt. Er vertritt in der konkreten Kunst einen Elementarismus. Er definiert gegenstandslose Bilder wie auch Gegenstände als konkret. Sie sind mit sich selbst identisch. Konkrete Malerei ist für van Doesburg die gegenstandslose, während abstrakte Malerei eine gegenständliche sei. Kandinsky definierte etwas später (Ende der 30-er Jahre) ebenfalls die konkrete Malerei als die gegenstandslose, abstrakt die gegenständliche. Er (Kandinsky) ging dazu über, die abstrakte Kunst nunmehr als „konkret“ zu nennen. (Klaus Brisch: „Konkret heißt nicht auf Gegenstände bezüglich, sondern in selbstbezogener Darstellung (Präsentation) wirksam; abstrakt heißt auf Gegenstände außerhalb des Präsentierten bezogen.“)
Zur konkreten Malerei sind auch die Werke amerikanischer Künstler ab den 1950-er Jahren der Non-relational Art, wie das Action Painting von Jackson Pollock, die Riesenbilder von Barnett Newman und die shaped canvases von Frank Stella zu zählen. (Max Imdahl zu Stellas shaped canvases in „Zur Kunst der Moderne“, Band 1, stw 1235, S. 145: „ Das Verfahren, dem die Bilder Stellas sich verdanken, besteht entweder – theoretisch – in einem Minimum an diskursivem Denken oder – praktisch – in einem bloß mechanischen Kombinieren.“) Paradigmatisch und diskussionswürdig für die konkrete Malerei dürften die Flaggenbilder (1954) von Jasper Johns sein. (Imdahl: „Bezeichnetes und Bezeichnendes werden identisch, fallen in eins.“)(Sedlmayr: „Is it a flag, or is it a painted flag?“, Solomon: „Is it a painted flag, or is it a painting?“, Steinberg und Cage: “Is it a flag, or is it a painting?”)
(Max Bense in „Aesteitca“, 1965, S. 44: „`Vergessen wir die Dinge, betrachten wir nur die Beziehungen´ heißt es in Georges Braques Aufzeichnungen `Der Tag und die Nacht´(Zürich 1951). Hier liegt einer der Gründe, der von Anfang an die Entwicklung der Malerei in die Richtung einer abstrakten, gegenstandsfreien Kunst drängte. Das ästhetische Verarbeiten der Perspektiventheorie wurzelt keineswegs nur in den Bedürfnissen eines abbildenden Realitätsbewußtseins, mit ihm vollzog sich auch die bewußte zunehmende Verlagerung des wahrnehmbaren Ästhetischen und Schönen aus dinglichen in relationale Gefüge. Für die integrale Seinsverfassung des Kunstwerks folgt, daß seine Schönheit, die ästhetische Positivität, nicht durch ein – im metaphysischen Sinne – Einzelnes bestimmt wird, sondern durch das Viele, für das allein ja kompositionelle, relationale Bestimmungen gelten.“)
Max Bill: „konkrete kunst nennen wir jene kunstwerke, die aufgrund ihrer ureigenen mittel und gesetzmäßigkeiten – ohne äußerliche naturerscheinungen oder deren transformierung, also nicht durch abstraktion – entstanden sind. konkrete kunst ist der ausdruck des menschlichen geistes, für den menschlichen geist bestimmt… konkrete kunst ist in ihrer letzten konsequenz der reine ausdruck von harmonischem maß und gesetz.“
Mit (aktuellen) Beispielen aus der bildenden Kunst möchte ich aber nicht zu konkret werden, die Beispiele wären nicht mehr überschaubar.
(07-2015)
Aus Barnett Newmans Text “The Sublime is Now“ (1948)
“Wir bekräftigen wieder unser natürliches menschliches Verlangen nach dem Erhabenen und das Verlangen nach der Möglichkeit, uns auf die absoluten Emotionen zu beziehen. Wir sind nicht angewiesen auf die verbrauchten Sicherungen einer verloschenen und antiquierten Legende… Das Bild, welches wir erschaffen, ist eine ganz und gar aus sich selbst evidente Offenbarung, die real und konkret und verständlich ist für jedermann, der das Bild anschauen will ohne den nostalgischen Blick auf die Historie.“
Zitiert und übersetzt nach Don Judd, „Barnett Newman“, in: Studio International 179, Nr. 919, Februar 1970.
(08-2015)
Visuelle Kommunikation
(sehenden Auges erkennen, verstehen, urteilen – und handeln)
Bei psychischen Erkrankungen (z.B. bei schizophrenen Psychosen) können Gegenstände (also unbelebte Objekte) eine individuelle Bedeutung (Symbolik) erlangen. Es scheint eine individuelle (visuelle) Kommunikation stattzufinden, die zwischen positiver Besetzung und Ängsten changiert.
Symbole und Zeichen sollen Sinn kommunizieren. Ein Bild mit einer Ikonografie kommuniziert einen (ambivalenten) Sinngehalt und Sachverhalt. Symbole sind mehrdeutig und oft (in der Kunst) individuell. Tritt die Sprache als Schrift zum Bild hinzu, wird die Sinngebung schon eindeutiger (z.B. bei Schildern). Zeichen sind abstrakt und allgemeingültig, Symbole kommunizieren eine individuelle Bedeutung. Die Symbolik der Farben hat in unterschiedlichen Kulturen unterschiedliche Bedeutungen, unterliegt aber paradoxerweise einer allgemeinen, übereinkommenden Bedeutung und eindeutigen Interpretation.
Verkehrszeichen geben Anweisungen und schreiben Verhaltensregeln vor. Gebots- und Verbotszeichen unterstreichen die Wichtigkeit und Intention durch ihre unterschiedlich festgelegte Farbgebung. Diese Zeichen müssen ge- und erlernt werden. Eine Symbolik im Bild dagegen fundiert auf Lebenserfahrung (visueller Erfahrung), Erkenntnis, Wissen, Phantasie, Interpretationsvermögen, bei gesundem Verstand.
Die angewandte Kunst bedient sich der visuellen Kommunikation im Grafik Design, in der Werbung, in vielfältiger Form: Video, Film als audiovisuelle Medien, Fotografie, Gestaltung von Signets, Logotypen, Logogrammen, Emblemen, Wappen, Wortmarken, Piktogrammen, individuellen Schriftzügen, usw., ganz allgemein Gestaltung der Printmedien wie Zeitschrift, Buch, Geschäftsausstattung bis Corporate Identity. (Neuere Gestaltungsmöglichkeiten bietet das Web.)
Wenn wir primär von visueller Kommunikation sprechen, trifft dies a priori auf das Bild zu. Die bildende Kunst und die Medien (insbesondere die Werbung) machen sich visuelle Kommunikation zu nutze. Sobald die Sprache als weitere Sinnebene hinzutritt, wie bei den audiovisuellen Medien (Film, Video), konkurriert die visuelle Kommunikation mit der Sprache und wird richtungsbezogen, aber fast eindeutig, und tritt aber ein wenig in den Hintergrund.
Die Werbung benutzt die Kommunikation der Bilder um Emotionen, Wünsche und Sehnsüchte zu suggerieren und zu kommunizieren um letztendlich einen Kaufanreiz für ein Produkt oder eine Dienstleistung zu unterbreiten.
Bildende Kunst ist im Grunde visuelle Kommunikation unter Einbezug und Priorität des Künstlers als Person mit individuellem psychischen Schicksal. Der Künstler offenbart eine Momentaufnahme eines Teils seiner Psyche und Geisteshaltung, realisiert durch das Bildwerk. Durch seine Bildäußerung bekennt er sich, offenbart sich. Visuelle Kommunikation in der bildenden Kunst steht unter dem Stern der Individualität des Künstlers mit Betonung der Persönlichkeit.
Visuelle Kommunikation basiert auf den psychologischen Vorgängen und im Reflektieren als Sehen, Erkennen, Urteilen (und Handeln) des gesunden Menschenverstandes. Realitäts- und Lebenserfahrung scheint hier der Urgrund einer visuellen Erkenntnis zu sein. Auch Kreativität, Bildung, Wissen und Phantasie spielen eine Rolle.
„Visuelle Kommunikation“ wird sogar als Studienfach in den visuellen Künsten angeboten. Das Hauptaugenmerk liegt hier aber auf der Anwendung in den Medien (Print, Web, audio-visuell). Die Übergänge von angewandter (Gebrauchs-) Kunst zu freier Kunst sind fließend und gehen ineinander über. (Berühmtes Beispiel Andy Warhol.)
Symbole im Bild haben nicht oft, aber meistens, ambivalente Bedeutungen. Erst wenn die Sprache in Form von Schrift dem Bild hinzutritt, kann eine eindeutige Sinnebene kommuniziert werden. Visuelle Kommunikation macht sich vor allem die Werbung zunutze. Das Bild (oder Bilder) wird mit Sprache (in gesprochener und/oder Schrift) kombiniert um die Effektivität der Bildaussage zu unterstützen, mit zum Schluss einer eindeutigen Handlungsaufforderung (zum Konsum).
Visuelle Kommunikation resultiert aus Lebenserfahrung in erkennender Reflexion der Objektwelt. Hinzu kommen noch individuelle Sinnebenen, die sich auf die Psychologie des einzelnen Individuums gründen (Symbolbildung), die aber nachvollzogen werden können (z.B. in der Kunst), da wir ja letztendlich alle menschliche Lebewesen mit Geist, Verstand und Psyche sind. Im Volksmund kursiert für die Sprache der Bilder als Archetypen eine festgelegte, übereinkommende Bedeutung (Alltagssymbole).
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„Visuelle Kommunikation – Beiträge zur Kritik der Bewußtseinsindustrie“, DuMont Buchverlag Köln, Hrsg. von Hermann K. Ehmer, ohne Jahresangabe.
(01-2016)
Plädoyer für Hobbymaler
Ihr widmet euch der Kunst? Der Malerei? In eurer Freizeit? Am Abend, am Sonntag, im Urlaub? Hobbymaler zweifelt, verzweifelt nicht, gebt nie, nie, nie auf! Ihr seid nicht nur Herr eures Schaffens, eures Geschmacks, sondern auch eurer Zeit.
Wenn ihr visuell kommunizieren wollt, müsst ihr der Welt etwas mitteilen. Was Essentielles, was, das euch wichtig erscheint, was euch bewegt. Werdet nie müde im Üben der Darstellung. Schöne Bildchen malen ist nur ein vordergründiges Ziel, es bringt euch aber nicht wirklich weiter. Studiert die Kunst, die Geschichte der Kunst! Ahmt nach, kopiert, interpretiert und variiert die Bildwerke eurer Vorbilder.
Bist du Pensionist, gehört dir die Muse. Du musst nicht schaffen um zu überleben. Du hast nie Termine, keinen Zeitdruck, keinen Erfolgsdruck – du genügst dir selbst, deine Bilder sind Resultate deiner Musestunden und deiner Hingabe.
Du musst nicht ausstellen um Anerkennung zu erlangen, um zu verkaufen und um so das Leben auch bezahlen zu können. Kein Bangen um Anerkennung, keine kritischen Kommentare. Hobbymaler, Ihr genügt euch selbst.
Hobbymaler, verweigert euch der Kulturindustrie, bleibt ihr selbst. Eine Monetarisierung eurer Arbeit, Leidenschaft wird eure Haltung in der Hingabe zu eurem Hobby verbiegen. Obwohl – gefällige Bilder in Kunstfertigkeit verkaufen sich gut. (Dies scheint der Geschmack der durchschnittlichen Konsumenten und Genießer zu sein.)
Kein Stress mit Galeristen, sich nicht ins schöne Licht rücken, gefällig sein, keine Absagen einstecken müssen und keine überflüssigen Rechtfertigungen abgeben müssen. Und: kein Verriss durch die Presse, die Demutskultur meidend. Hobbymaler, zweifelt, verzweifelt, nicht!
Hobbymaler, ihr braucht keine Ausbildung. Kein Bangen um die Aufnahme an einer Hochschule oder Akademie, kein Procedere, kein Stress. Kein Gefälligsein beim Pädagogen, nicht seinen Launen und seiner Doktrin unterlegen sein müssen, keine permanente Kritik. Keine Richtlinien, keine Prüfungen, kein Prüfungsstress, keine Termine. – Hobbymaler, ihr seid wirklich frei.
Hobbymaler, gebt nicht auf – eure Muse und eure Leidenschaft sind euer Antrieb – ihr braucht keine Ziele. So seid ihr doch konkurrenzlos glücklich.
(01-2016)
Kreativität in den visuellen Künsten
„Der Hauptfeind der Kreativität ist gesunder Menschenverstand.“
(Pablo Picasso)
„Kreativität.
Handelt es sich schon bei der Betonung des eigenen Tuns mehr um ein Bekenntnis als um eine nüchterne Arbeitshypothese, so gilt dies in noch höherem Maß für die Betonung der „Kreativität“ oder des Schöpferischen in der Wahrnehmung, die besonders im amerikanischen „Transaktionalismus“ eine Rolle spielt.
Bei genauerer Prüfung, etwa der Gesamtdarstellung von ITTELSON (1960), entpuppt sie sich als eine Philosophie der Festansprachen und Vorreden, nach deren Beendigung man dann im Hauptteil, bei der Behandlung konkreter Einzelfragen, zu einer schlichten Erfahrungstheorie zurückkehrt, die sich in nichts von herkömmlichen Erfahrungstheorien unterscheidet. Denn Beispiele echten Schöpfertums, die über einen „verbesserten Empfang“ des Wirklichen hinausgehen, sind in der Wahrnehmung nicht zu finden. Übrigens sind sie dort auch nicht erwünscht. Denn sie würden ja das beste mögliche Sich-Zurechtfinden in unserer Umgebung, dessen Sicherung die eigentliche Aufgabe aller unserer Sinne ist, nur stören, statt es zu verbessern.“
(Wolfgang Metzger, „Gesetze des Sehens“, S. 653)
Wenn wir von Kreativität sprechen, meinen wir jene Schöpferkraft, die uns beflügelt, bildnerische Werke als eigene schöpferische Leistung zu vollziehen. Bilder sind Ergebnisse eines Prozesses, der von Intellekt, Intuition, Empathie und technischem Können und der Bewältigung der imaginierten Intention abhängig ist.
Es ist eine Hingabe in Muse, aber auch (meistens) in Konzentration. Bei zu sehr gestörten, angespannten psychischen und geistigen Zuständen kann das Ergebnis der kreativen Handlung verfälscht oder in Mitleidenschaft gezogen werden. (Bilder sind in dieser Hinsicht immer authentisch.) Bilder sind eben stets Ergebnisse eines Prozesses. (Doch sei auch angemerkt, dass jede Psychose auch kreative Kräfte frei setzt.)
Die Potenz der Kreativität zeigt sich in der Gestaltunghöhe (im künstlerischen in der Virtuosität), in der Kunst in der Novität einer neuen, anderen Sicht der Dinge oder einer Themenerweiterung, der Darstellung als Bildwerk und am genuinen Schöpfungsgrad oder evozierter induktiver Erfindungsgabe (Imaginationsvermögen, Phantasieleistung). (Schauen Sie sich einem das kreative Potenzial von Pablo Picasso an! – Ein Wandlungs- und Verwandlungskünstler.)
Um gute Ergebnisse zu erzielen, bedarf es vieler Voraussetzungen. (In manchen Kunstrichtungen spielt auch Zufall eine Rolle.) Die Stimmung, der Tageszeitpunkt muss günstig sein, die Gedankenausbreitung im Brainstorming für die Themenfindung, die Inspiration muss gegeben sein. Eine förderliche Stimmung kann begleitende Musik leisten, sie kann inspirieren und „anturnen“. Ob Stumulanzien eine Rolle spielen mögen, sei dahin gestellt. Kaffee, Nikotin, Alkohol wären ja noch harmlos. Anders sieht es bei Drogen oder Medikamenten oder Halluzinogenen oder Tranquilizer aus.
Kreative Hingabe ist ein der Psyche positiv erscheinender Vorgang mit angenehmen Gefühlen. Im Flow scheint das existentielle Phänomen der Zeitsukzession vollkommen eliminiert zu sein, alle Sorgen, Befürchtungen, Ängste des Alltags und der Existenz verdrängt. Eine Idee, ein Gedankenblitz jagt den anderen. Gut ist man beraten, wenn man kreative Gedanken auch schriftlich fixiert (etwa in einem Tagebuch). Die Themenfindung scheint schier ins Unendliche zu reichen. Der Kreative fühlt sich (etwa von current affairs) auch stets betroffen und schöpft hieraus stets neue Ideen.
Inspirationsquellen gibt es viele. Dies kann von der eigenen Person ausgehen – Befinden, Befindlichkeit – bis zur Kritik und Stellungnahme zum Weltgeschehen. Ein Kreativer kennt keinen Themenmangel. Allein schon die bildnerischen Gesetzmäßigkeiten verlocken und animieren den abstrakt arbeitenden Künstler zu immer neuen Möglichkeiten der Bildfindung.
Kreativität kann man zwar nicht lernen, aber fördern, ihr positiv begegnen. Am ursprünglichsten ist sie am Beginn des Lebens, in der Kindheit. Fast alle Kinder äußern ihre Eindrücke, Erlebnisse, Ängste und Gedanken in unverfälschten gezeichneten oder gemalten Bildern. Das Kind fragt nicht nach dem Richtig oder Falsch. Es ist eine unmittelbare bildnerische Umsetzung und Entäußerung.
Für den Erwachsenen gibt es eine ganze Palette von kreativen Berufen (oder solchen, die so genannt werden wollen) in den freien und angewandten Künsten, wobei hier eine kritische Überprüfung hinsichtlich der wirtschaftlichen Überlebensperspektive angeraten ist.
Maler, Bildhauer, Grafiker scheinen ihrer Kreativität freien Lauf lassen zu können. In den angewandten visuellen Künsten kann jedoch die Kreativität in ihre Schranken gedrängt werden. Wenn ein Gebrauchsgrafiker vom Auftraggeber schon eine konkrete Vorstellung vorformuliert bekommt, ist er lediglich Ausführender und Umsetzer einer Idee. Von genuiner primärer und wirklicher Kreativität kann hier wohl kaum noch die Rede sein. In den angewandten Künsten trifft der Kreative auf Einschränkungen, technischer und thematischer Natur.
Ein Architekt ist an die physischen Gegebenheiten der Materialien und Baustoffe in seinen Entwürfen gebunden, ein Schmuckdesigner muss die spezifischen Eigenschaften der Materialien berücksichtigen, ein Grafik-Designer muss sich dem Grafikprogramm fügen, er muss es beherrschen und nicht es ihn. Bei Produktdesignern definiert die Funktionalität im wesentlichen das Aussehen. Er muss die Materialeigenschaften und Produktionstechnologien mit ins Kalkül seines Entwurfs ziehen. Dies sind zwar technische Hürden, die mit Bravour gemeistert werden können, aber deren Beherrschung das Handwerk voraussetzt.
Ich meine damit, dass in den angewandten Künsten die freie Entfaltung der Kreativität bezüglich der Themenvorgabe und der technischen Umsetzung und Voraussetzung begrenzt sein kann. Ein Gebrauchsgrafiker kann in der Entfaltung seines kreativen Potenzials wesentlich eingeschränkt sein, etwa bei der Gestaltung und Umsetzung einer Bedienungsanleitung; so wie ein technischer Zeichner lediglich Ausführender, Umsetzer von Ideen oder technischen Gegebenheiten ist.
Vielleicht kann man die kreative Potenz oder Leistung in graduellen Unterschieden definieren. (Näheres ist im Urheberrecht geregelt.) Ein Corporate Design für ein Unternehmen ist in freier Kreierung ohne Einschränkungen höher einzustufen als eng definierte Vorgaben und konkrete Vorstellungen bezüglich Form und Farbe seitens des Auftraggebers.
Konkrete Kunst ist eine Angelegenheit des Intellektes. Eine rein weiße Ausgangsbasis mit wenig Bewegung im Bild erfordert weitaus weniger kreative Anstrengung und Bewältigung als eine farbliche Komposition oder ein expressives, farbexplosives Gemälde (wie etwa bei Baselitz). Gegenständliche Kunst ist zunächst eine Frage des „Wie“, abstrakte Kunst erfordert nicht nur Kenntnisse in formalen Gesetzmäßigkeiten und Harmonien (meistens), sie zeugt auch von einem höher einzustufenden Kreativitätsgrad.
Jede Bildäußerung zeugt von Kreativität, will nicht heißen, dass jedes Bild auch eine gestalterische oder künstlerische Höhe aufweist. – Deshalb, seien Sie kreativ in der Gestaltung Ihres Lebens!