wer Farben wegnimmt, sieht besser.
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Mondnacht

 

Es war, als hätt´ der Himmel

Die Erde still geküßt,

Daß sie im Blütenschimmer

Von ihm nun träumen müßt`.

 – – –

Die Luft ging durch die Felder,

Die Ähren wogten sacht,

Es rauschten leis die Wälder,

So sternklar war die Nacht.

 – – –

Und meine Seele spannte

Weit ihre Flügel aus,

Flog durch die stillen Lande,

Als flöge sie nach Haus.

– – –

Joseph von Eichendorff

(1788 – 1857)

 

 

 Golden Gate Bridge

 

Im Nebel

 

Seltsam, im Nebel zu wandern!

Einsam ist jeder Busch und Stein,

Kein Baum sieht den andern,

Jeder ist allein.

 – – –

Voll von Freunden war mir die Welt,

Als mein Leben licht war;

Nun, da der Nebel fällt,

Ist keiner mehr sichtbar.

 – – –

Wahrlich, keiner ist weise,

Der nicht das Dunkel kennt,

Das unentrinnbar und leise

Von allen ihn kennt.

 – – –

Seltsam im Nebel zu wandern!

Leben ist Einsam sein.

Kein Mensch kennt den andern,

Jeder ist allein.

 – – –

Hermann Hesse

(1877 – 1962)

Autobahnkreutz

lazarus

 

vier tage nur, dann kehrte er zurück,

erst blind wie eine kartoffel, etwas moder

um bart und haare, kroch aus seinem sarg,

einer hölzernen mutter,

 

und war noch gegen den wind zu riechen.

er schien zu lauschen, ob sein herz noch schlug,

sobald er saß; versteckt hinter den röcken

die kinder, wenn er um die ecke bog.

 

als würde er weder dem boden trauen

noch seinem eigenen, tastenden schritt.

wir sahen seine frau mit roten augen.

die beiden schliefen jetzt zu dritt.

 

vier wochen, bis man nicht länger meinte,

im schinken die erde zu schmecken, den lehm

in wasser oder wein; vier monate,

und alles blasser, alles wundersam

 

und fast schon vergessen –

da steht er plötzlich hinten in der schlange

um brot an, hört man im dunkel der gassen

erneut diese schnarrende feder von stimme,

 

als ob etwas in ihm zerris-

sen ist, spricht ihn mit „guten abend“ an

vielleicht, mit „schönes wetter, lazarus“,

und streckt die hand aus, hält den atem an.

 

(Jan Wagner, geb. 1971, aus „Regentonnenvariationen“)

 

 

Solange ein Mensch                         („Aber den Menschen ist Gott die Liebe!“, Hölderlin)

 

Solange ein Mensch zu dem anderen sagt:

Ist dir kalt? Trägst du Leid? – Trete ein!

Solange der Funke den Funken befragt,

kreist der Stern, saust das Gras, blitzt der Stein.

 

Die Untergänge der Städte und Meere

beginnen im Herzen, das keiner liebt.

Bitternis lechzt nach vollkommener Leere,

im höhnenden Mund der Stern zerstiebt.

 

Es wurzeln die Wälder, die Länder, die Berge

in nährender Liebe allein.

Verdorrt uns die Liebe, werden die Särge

unter gelassenen Sternen sein.

 

Solange ein Mensch zu dem anderen sagt:

Ist dir kalt? Trägst du Leid? – Trete ein!

Solange der Funke den Funken befragt,

muß der Schöpfer bei seinen Geschöpfen sein.

 

(Erika Burkart)

Lichtbild, vergangene Zeit

 
 
"Das Glück wohnt nicht im Besitze und
nicht im Golde, das Glücksgefühl ist
in der Seele zuhause."
 
(Demokrit, 460 - 370 v.Chr.)