(06-2015)
Malerei
(weil ich kein Maler bin)
Der Himmel hat vier Ecken
„Die Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.“ (Karl Valentin)
Fläche ist das Einzige, das der Maler herstellen kann.
Die Projizierung der Objektwelt von der Dreidimensionalität in die Zweidimensionalität, als Flächenmalerei im 20. Jahrhundert ausgehend vom modernen Trompe-l´oeil, und auch initiiert durch den deutschen Expressionismus, erreichte zunächst mit Henri Matisse (1869-1954) ihren Höhepunkt. Doch die Gefahr zum blanken Dekor ist groß, wollte man die dargestellten Objekte weiter vereinfachen oder abstrahieren. (Dekor gab es schon im alten Ägypten, Flächenmalerei kennt man von den Ursprüngen der Felsenmalerei her, aus der Steinzeit.) (Bei Matisse spielt sich eine Harmonie von Fläche als Form und Farbe als Melodie ein.)
Eine extreme Weiterentwicklung der Darstellung der Form als Fläche in der abstrakten Malerei der großen Farbmystiker (Kandinsky, Delaunay) zeigen die Werke von Serge Poliakoff (1906-1969).
Eine Entäußerung der inneren Welt (Befindlichkeit, Stimmung, Emotion, psychische Situation) nach außen (durch das Bildwerk) stellt der Expressionismus dar. Es wird die innere Welt der äußeren im Bildwerk aufgezwängt. Man denke etwa an die impulsive, expressive Ausdrucksweise und Farbgebung bei Baselitz. Im Bildwerk scheint eine Vergewaltigung statt zu finden.
Der äußere Eindruck (äußere Welt), sensibilisiert, empfunden, gesehen und visualisiert durch die Künstlerseele, eingefangen in einem Bildwerk, ist das Wesen des Impressionismus.
Monet malt „Erlebnisse“ der Natur, während Cézanne (metaphorisch mit Rilke gesprochen) „Erlebnisse“ an der Natur malt.
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Im Naturalismus (Courbet) und Realismus war und ist eine flächenhafte Ausprägung der dargestellten Objekte überhaupt nicht vorhanden. Ebenso im heutigen Realismus, Fotorealismus (zum Teil bei Richter) und Hyperrealismus. Auch hier scheint es um eine nüchterne, objektivierte, manchmal auch inszenierte, Impression zu gehen, die durch eine realistische Ausdrucksweise dargestellt wird. Wobei diese Realität im und durch das Bildwerk (Ikonografie) einen symbolischen Inhalt kommuniziert. (Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.) Zu werten wäre, in wie weit sich fotografische Vorlagen für die Inszenierung eignen dürfen und ob dies auch oder überhaupt opportun sei.
Eine flächenhafte, naturbezogene Darstellung zeigt sich in den Gemälden, Grafiken und Zeichnungen des Jugendstil.
Am ehesten noch – im abstrakten Bereich – wurde eine flächenhafte Darstellung oder Ausprägung im deutschen Informel realisiert (Dahmen, Schumacher, Thieler) – wenn überhaupt -, wobei man nicht mehr von Ikonografie sprechen kann. Es ging ja nicht um eine Darstellung (von Objekten), sondern um spontanen (inneren) Ausdruck, gestische Malerei. Eigentlich kann man in den Mikrostrukturen der Bilder von van Gogh schon „informelle“ Tendenzen sehen.
Im Tachismus und dem Action Painting (Pollock) als weitere abstrakte Bildgattung ist eine flächenhafte Ausbreitung von Formen nicht mehr zu sehen.
Die flächenhafte Farbfeldmalerei eines Rothko lässt Form völlig vermissen. (Ebenso bei den atmenden Farbkissen bei Graubner.) Dies gilt auch für die Anwendung der Farbe in der konkreten Kunst (reine Geometrie) und auch im Konstruktivismus.
Die gegenwärtige Kunstlandschaft wird durch einen Stilpluralismus geprägt. (Alles wurde schon gedacht, alles wurde schon gemalt.) Es zählt eine typische, individualistische Bildsprache des bildenden Künstlers.
Form wird durch Prägnanz definiert. Dabei gilt immer für das Bildwerk Formpräferenz vor Farbgebung (Farbpräferenz). Farbausdehnung ohne Form ist reine Farb(feld)malerei (aber im Sinne von Harmonie) oder informelle Gestik. Für ein harmonisches Gleichgewicht in den schönen Künsten wäre eine Farbharmonie in prägnanten (Flächen-)Formen in verschiedensten Abstraktionsstufen von konkret, figürlich bis hin zu reinen Geometrie wünschenswert.
Somit wären wir bei den Theorien der Farbe angelangt. Ausgehend von Goethe und Newton bestehen (bis in die Gegenwart) zwei Farbsysteme: Die subtraktive Farbmischung (bei physischen Farbgebinden) und die additive Farbmischung (luminöse Ereignisse, wie beim Monitor, der Fotografie, der Lichtprojektion…)
Der Humanist, Schriftsteller, Dichter und Universalgelehrte Goethe ging von der reinen, äußerlichen Erscheinung und Empfindung der Objektwelt aus, von der er seine Farbenlehre ableitete. (Sinnlich-sittliche Werthe.) Der Physiker Newton zerlegte das Tageslicht mittels eines Prisma und leitete hiervon seine Farbtheorie ab. Noch Rudolf Steiner (Anfang des 20. Jahrhunderts) zweifelte an der Authentizität der Farbtheorie Newtons. Er wies auf die Farberscheinungen in der Natur hin (auf Goethes Theorie) und denunzierte Newtons Anschauung. Heute wissen wir, dass es zwei unabhängige Systeme sind.
Philosophen, Physiker, Psychologen, Maler entwickelten von der Antike bis in die Gegenwart ihre eigene Farbtheorie und formten sie zu einer jeweils aktuellen Farbenlehre:
Demokrit (um 460 v. Chr. bis um 370 v. Chr.) Philosoph
Leonardo da Vinci (1452-1519) Maler
Isaac Newton (1643-1727) Physiker
Johann Heinrich Lambert (1728-1777) Mathematiker, Physiker
Christian Ernst Wünsch (1744-1828) Mathematiker, Mediziner
Matthias Klotz (1748-1821) Maler
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) Schriftsteller, Universalgelehrter
Arthur Schopenhauer (1788-1860) Philosoph
Thomas Young (1773-1829) Augenarzt und Physiker
Philipp Otto Runge (1777-1810) Maler
Eugène Chevreul (1786-1889) Farbchemiker
Jan Evangelista Purkyně (1787-1869) Sinnesphysiologe
Gustav Theodor Fechner (1801-1887) Mediziner, Naturphilosoph
Hermann von Helmholtz (1821-1894) Physiker, Universalgelehrter
Wilhelm Wundt (1822-1920) Physiologe
Ewald Hering (1834-1918) Physiologe
Wilhelm von Bezold (1837-1907) Physiker
Wilhelm Ostwald (1853-1932) Universalgelehrter
Albert Henry Munsell (1858-1918) Maler
Robert Thomas Dietrich Luther (1868-1945) Photograph
Otto Prase (1874-1956) Malermeister
Erwin Schrödinger (1887-1961) Quantenphysiker
Johannes Itten (1888-1967) Bauhausmeister (Malerei)
Josef Albers (1888 – 1976) Malerei, Kunsttheorie
Siegfried Rösch (1899-1984) Mineraloge
Manfred Richter (1905-1990) Physiker
Heinrich Frieling (1910-1966) Farbenpsychologe, Zoologe
Max Lüscher (*1923) Schweizer Psychologe und Philosoph, entwickelte und veröffentlichte 1947 den Lüscher-Farbtest
Harald Küppers (*1928) Experte für Drucktechnik und Farbentheorie
Unter Farbperspektive verstehen wir die suggestive räumliche Wirkung von mehreren verschiedenen, nebeneinander liegenden Farben (Gruppen) im Bild. („Interaction of color“ meint die Wirkung der Farben untereinander.) Helle, intensive (gesättigte), warme Farben scheinen sich vorzudrängen, dunkle, trübe (ungesättigte), kalte Farben scheinen zurückzutreten. (Reine Suggestion.) Gelb scheint die „schrillste“ Farbe zu sein, Rotorange die wärmste, Blau mit einem Stich Türkis die kälteste. Ein bestimmtes Gelb mit einem geringen Rotanteil (Indischgelb) scheint die größte energetische Kraft auszustrahlen. Farben ändern sich wie Launen. Zu den Primärfarben der subtraktiven Farbmischung zählen Rot, Gelb, Blau. Die Primärfarben der additiven Farbmischung sind Rot, Grün, Blau. Schwarz, Weiß, Grau und Metallfarben zählen zu den Nichtfarben.
Was den Umgang mit physischen Farben (Pigmente und Bindemittel) anbelangt, gilt es durch Praktizieren Erfahrungen zu sammeln. Daraus ergeben sich Präferenzen und Vorlieben. Das Training innerhalb eines Studiums der visuellen Künste sollte unbedingt ein ausgiebiges Experimentieren mit den verschiedenen Techniken und Technologien mit einschließen. (Sich finden, heißt sich definiert zu haben.)(Fenner, „Was darf und kann Kunst?“, Kimmich, 2003: Kunst ist der Ort wo „Freiheit und Glück, Schwindel und Lust eben bis über die Grenzen der Selbstauslöschung hinaus straflos erprobt werden können.“)
Die altertümliche Zu- und Aufbereitung malfertiger Farben aus organischen, anorganischen und synthetischen Pigmenten mit den verschiedensten Bindemitteln gerät heute immer mehr in den Hintergrund.
Das Standartwerk für den (angehenden) Maler dürfte wohl Kurt Wehltes „Werkstoffe und Techniken der Malerei“ sein. Der „Wehlte“ vor 35 oder 40 Jahren war noch wesentlich dicker und umfangreicher als die heutige abgespeckte Ausgabe, die aber uo to date ist. (Es empfiehlt sich, eine ältere Ausgabe in einem Antiquariat als Ergänzung zur aktuellen Ausgabe zu erstehen. – Viele Techniken sind veraltet und vollends in Vergessenheit geraten und werden heute so gut wie nicht mehr angewendet.)
Die Künstlerbedarfsindustrie erleichtert es heute dem Kreativen, malfertige Farben in den verschiedensten Gebinden zu beziehen und garantiert so ein bequemes Handling. Moderne Dispersionsfarben (etwa Acrylfarben) erleichtern es auch dem unerfahrenen Künstler und der Künstlerin zu einem schnellen, befriedigenden und bequemen Arbeitsablauf mit zum Teil bestechenden oder auch nur zufriedenstellenden Ergebnissen. (Technologie ist die Voraussetzung für ein dauerhaft beständiges Bild, aber bei weitem nicht alles.) Sicherlich geht es in der Malerei auch um Nachhaltigkeit der Bildwerke.
In der Steinzeit waren die Felswände in den Höhlen praktischerweise der perfekte Malgrund. Von alters her diente Holz als solider Malgrund, bis im beginnenden Mittelalter der Bildträger aus Keilrahmen und Leinwand Einzug in die Malerei fand. (Das berühmteste Gemälde der Welt, zu sehen im Louvre, mit der Nummer 779 , in Smufato-Technik gemalt, in den Ausmaßen 77 x 53 cm, wurde auf Pappelholz gemalt.) Auch andere Gewebearten, Papier, Pappe, Karton, Metall usw. können als Malträger Anwendung finden. Holz als Bildträger findet bis in die heutige Zeit noch Anwendung. Allerdings beschränkt sich das Ausmaß einer (auch nur dünnen) Holztafel aus pragmatischen Gründen (Masse, Gewicht) auf wenig über 1 Quadratmeter bis unter 2 qm.
Bei der Frage ob ein Aquarell zur Malerei oder zur Graphik zu rechnen ist, streiten sich sogar Kunstwissenschaftler. (Bei Nolde dürfte die Einstufung aber eindeutig sein.)
Die Flächenanwendung der Farbe als Malerei (nicht Grafik) (etwa in der Farbfeldmalerei bei Rothko, in der meditativen Transformation bei Graubner) sollte ein Atmen der Farbe zulassen. Eine nur zugestrichene Farbfläche kann zwar auch evokativ wirken (eher plakativ), scheint aber tot zu sein (Ein Anstreicher befasst sich vordergründig mit der handwerklichen Bewältigung einer Oberflächenverschönerung oder –veredelung.) und sollte nur in Kombination mit diffuser Farbwirkung angewandt werden. Jede Farbe hat eine Atmosphäre, sie lebt, sollte atmen können und kommuniziert Emotionen (aus visueller Erfahrung). Eine Eigentümlichkeit reiner, purer, dichter Farbanwendung führte Mondrian konkret mit seinen Bildwerken in die Kunst ein. Farbe ist im Grunde immer konkret (van Doesburg).
Fläche ist das einzige, das der Maler herstellen kann.
(Weil die Kreise im See nicht wissen vom geworfenen Stein)
Wehlte, Kurt, „Werkstoffe und Techniken der Malerei“, Otto Maier Verlag, Ravensburg, 1985
Doerner, Max, „Malmaterial und seine Verwendung im Bilde“, Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart, 1989
(07-2015)
Objekte
componere
„Wenn sich ein Mann der Kunst widmet, kann er viel Böses vermeiden, wenn er untätig bliebe.“ (Albrecht Dürer)
Begriffsdefinition „Objekt“ in der Psychoanalyse:
„Der Begriff des Objekts wird in der Psychoanalyse unter drei Hauptaspekten betrachtet:
A) Als Korrelativ des Triebes: In ihm und durch es versucht der Trieb sein Ziel zu erreichen, nämlich einen bestimmten Typus von Befriedigung. Es kann sich um eine Person oder um ein Partialobjekt handeln, um ein reales oder um ein phantasiertes Objekt.
B) Als Korrelativ der Liebe (oder des Hasses): Die Beziehung besteht in diesem Fall zwischen der ganzen Person oder der Ichinstanz und einem Objekt, das selbst als Ganzes angestrebt wird (Person, Einheit, Ideal etc.)
C) In der traditionellen Bedeutung der Philosophie und der Bewußtseinspsychologie als Korrelativ des wahrnehmenden und wissenden Subjekts: Es bietet sich mit unveränderlichen und beständigen Eigenschaften an, objektiv erkennbar an der Universalität der Subjekte, unabhängig von Wünschen und Meinungen der Individuen.“
(Aus J. Laplanche, J.-B. Pontalis, „Das Vokabular der Psychoanalyse“, stw 7, 1986)
„Die Objektkunst ist eine aus der Assemblage besonders seit Ende der 1950er Jahre weiter entwickelte Kunstform, die einen oder mehrere vorgefundene Gegenstände – teilweise auch bearbeitet oder verfremdet – zum Kunstwerk erklärt. Die Ursprünge dieser Ausdrucksform liegen in den Collagen des Kubismus und Dadaismus sowie in Marcel Duchamps Ready-mades. Ein Beispiel der Objektkunst ist der Stierschädel (1942) von Pablo Picasso.
In den 1960er Jahren nahm die Objektkunst monumentale Formen an und entwickelte sich bis Ende des 20. Jahrhunderts zu begehbaren Environments und Architekturgebilden in Anlehnung an die dadaistischen Merzbauten von Kurt Schwitters. Ein aktuelles Beispiel ist die Arbeit letzte Ausfahrt (2007) von Kurt Fleckenstein. Überdimensional gebogene, schwarz geölte Leitplanken winden sich durch den Ausstellungsraum und füllen diesen gleichsam aus. Der Besucher erlebt die Dynamik und Körperlichkeit, indem er quasi durch das Objekt hindurchsteigen muss.“ (Quelle: Wikipedia)
Der Begriff „Objekt“ leitet sich vom lateinischen „objectum“ ab und bedeutet ein Etwas (obiectus = Entgegenstellen), auf dem sich ein menschlicher Gedanke entweder bezieht oder stützt. Ob eine formale Kommunikation oder Übereinstimmung über das Objekt stattfindet, ist dabei nicht erheblich. Der Begriff „Gegenstand“ zielt immer auf etwas Konkretes ab, während „Objekt“ etwas Abstraktes meint. (Ein Gegenstand ist immer ein Objekt, aber ein Objekt ist nicht immer ein Gegenstand.)
In verschiedenem Kontext fungiert der Begriff „Objekt“ desweiteren auch in der Umgangssprache, in der Philosophie, der Mathematik, in der Sprachwissenschaft und in Programmiersprachen.
Im Bereich der Kunst stellt ein Objekt dem Betrachter in einem abgegrenzten Zeitraum über das Verständnis über die Art des Objekts, dessen Zweckbestimmung und den Einsatz des Objekts hinausgehende, Assoziationen dar.
Ein „Objekt“ in der Kunst ist ein Artefakt, welches nicht unter den Wesensmerkmalen der Grafik, der Malerei und der Bildhauerei einzuordnen wäre. Dabei scheint der Begriff sehr weitläufig zu sein. Es ist aber auf jeden Fall auch ein statisches Bild. Grenzfälle sind bekannt. (Sind Frank Stellas „shaped canvas“ Bilder, die der Malerei unterzuordnen sind, oder schon Objekte?)
Wenn wir vom Wesen der Malerei als Anwendung in der orthogonalen Ausrichtung des Bildträgers ausgehen (Tafelbild), zeigt sich das flächenhafte, zweidimensionale Objekt – dies trifft nicht ganz zu, denn der Bildträger als Material und Werkstoff weist ja eine Materialstärke auf und hat somit auch dreidimensionale Merkmale – als nicht-orthogonale Ausrichtung. Es sind freie Formen (möglich). (Im Gegensatz zur Malerei. Natürlich gibt es Ausnahmen und Abweichungen, z.B. Luthers Hohlspiegelobjekte.) Objekte haben keinen Rahmen.
Es liegt an der Inspiration des Urhebers, Formen aus der Natur, in den verschiedensten Abstraktionsstufen, zu entlehnen oder auf rein abstrakte, geometrische (konkrete) Formgebilde zu schließen. Das Naturhafte scheint mir als Agens individuellen ästhetischen Erfahrungsschatzes zu sein. Die Natur in ihrer Anschauung bietet ein schier unendliches Reservoir kreativer Bildfindungen und Inspirationsquellen. (Zur Anwendung der Farblehre Ittens am Bauhaus.)
Cézanne leitete seine Kunsttheorie von der Natur ab, und man mag es kaum nachzuvollziehen, auch Mondrian behauptete, sich die Natur als Inspirationsquelle zu Eigen gemacht zu haben. Das Naturhafte in seinen vielfältigen Ausprägungen und den unterschiedlichsten Abstraktionsstufen war auch schon das Anliegen von Hans Arp. Der Bezug zur Natur, wenn wir Menschen uns als Teil dieser zu verstehen meinen, stellt einen Ausgangspunkt für die formale und inhaltliche Gestaltung von Objekten dar, wobei hier nicht Mimesis gemeint ist. Das Naturhafte offenbart sich in vielfältiger Weise und differenten Realitätsschichten. (Romantiker sind a priori naturbedachte und naturgeleitete Menschen.)
Monet malt „Erlebnisse“ der Natur, während Cézanne (metaphorisch mit Rilke gesprochen) „Erlebnisse“ an der Natur malt.
Zu differenzieren wäre noch ob ein Objekt der nonrelational art (z.B. bei Frank Stella) oder der relational art unterzuordnen wäre. Farbharmonien und –disharmonien treffen auf beide zu, Formharmonien im Sinne von wohlgefälliger Ästhetik und Komposition mehr auf relationale Kunstwerke.
Jedes Objekt entsteht aus einer Idee. Dies kann von einer Begrifflichkeit (einem Thema) ausgehen, oder bereits von einer Formvorstellung, der ein Sprachbegriff zugeordnet wird. Jede Idee beginnt mit einem Entwurf, einer (schwarzweißen Konturen-)Skizze. Wurde ein befriedigendes Ergebnis erreicht, wird sie mittels Epidiaskop auf den Bildträger projiziert und die Form manuell oder maschinell bearbeitet.
Hier gilt stets: Formpriorität (Formpräferenz) vor Farbgebung (Farbpräferenz.) Markant bei einem Objekt ist die Form, Farbe ist lediglich ein Attribut, eine Stimmung. Die äußere Form wird durch Prägnanz in ihren differenten Abstraktionsstufen definiert. So wie der Designer an den Entwurf einer Logotype herangeht, sieht sich der Objektgestalter an der Bestimmung der Prägnanz und des Formgefüges abstrakter Formgebungen herausgefordert. Eine andere Frage wäre ob die Farbeigenschaft der jeweils eingesetzten Farbe auch der Form entsprechen sollte. (Ich meine: nicht immer. So können sich überraschende Dissonanzen und Disharmonien mit ungewöhnlichen Effekten ergeben.- Thema „paranoide Bildfindung“.)
Das Wesen der Malerei ist die Fläche. Zur flächenhaften Ausdehnung des (zweidimensionalen) Objektes gesellt sich die Linie als grafisches Element, in der schrägen oder seitlichen Ansicht des Objektes als Materialstärke deutlich sichtbar, die als Attribut auch noch in und an der Oberfläche des Objektes fortgesetzt werden kann. Oft unterzeichnet die andersfarbige Gestaltung der Kante diese grafische Attitüde oder setzt sich im Objekt fort..
Holz bietet sich für die flächenhafte Ausprägung von Objekten geradezu als idealer Werkstoff an. Es ist verfügbar, lässt sich leicht bearbeiten und stellt einen soliden Bildträger und –grund dar. (Abzuraten sind nicht nachhaltige Werkstoffe und Materialen wie zum Beispiel Wellpappe.) Darüber hinaus bietet sich Holz als Bildträger geradezu an, Applikationen als Kompositionselemente hinzuzufügen. (In der Malerei des Informel ist dies sehr schön und poetisch an Gerhard Hoehmes Werken zu sehen.)
Holz diente von alters her schon als beständiger und solider Bildträger. Ob man der Abholzung der (Regen-)Wälder durch die Verwendung natürlicher Holzarten wie sie beim Sperrholz oder der Tischlerplatte gegeben sind, Rechnung tragen sollte, ist eine ideologische Frage und Entscheidung. Als Alternative kämen Spanplatten in Frage, wie sie in der minderwertigen Möbelproduktion verwendet werden. Aus rein pragmatischen Gründen eigenen sich künstlich industriell erzeugte Holzkörperplatten nur für kleinere Formate, da der hohe Leimanteil im Werkstoff das Gewicht erheblich ansteigen lässt, im Gegensatz zu schichtverleimten Naturholz.
Das Flächenhafte ist zweidimensional ausgerichteten Objekten eigen. Farbe als Attribut dient dem Klang, die Form ist die Definition. Ob nun industrielle Malerfarben oder spezielle Künstlerfarben angewendet werden sollen, spielt nur eine sekundäre Bedeutung. (Moderne, bequem zu verarbeitende und anzuwendende Dispersionsfarben erweisen hierfür gute Dienste.) Wichtig ist auch hier, wie bei allen konventionellen Kunstwerken, die Nachhaltigkeit der Artefakte.
Farbe sollte sich in ihrer Atmosphäre darbieten. Farbe sollte atmen (können). Ein homogener Anstrich kommuniziert innerhalb einer zugeordneten Form zwar auch etwas, aber gerade im Hinblick auf den Naturbezug wirkt diese nichtnatürlich und naturfremd.
Doch es gibt nicht nur farblich behandelte Objekte. Unbelebte Materie, Objekte, an sich, stellt schon eine Kommunikation dar; Materialien erzählen etwas, sie kommunizieren eine Eigenschaft, eine Eigenheit mit allen evokativen Assoziationen.
Auch wenn die Objekte der Begierde scheinbar nicht immer erreicht werden können, idealistischerweise sind sie dem Naturhaften zu Eigen und verdienen es, auch weiterhin glorifiziert zu werden.
(07-2015)
Werbung
(wozu braucht die Werbung Bilder?)
Für den Kapitalismus der westlichen Industriestaaten ist Wirtschaftswachstum der Garant für wirtschaftliche Prosperität und letztendlich auch für den Wohlstand in diesen Gesellschaften. Das Wesen dieser Gesellschaftsordnungen und -strukturen ist steter Konsum, welcher sich in der freien Marktwirtschaft aus Angebot und Nachfrage bemisst. Somit zeichnet sich das Wesen der westlichen kapitalistischen Gesellschaften durch Konsum aus, als Medium fungiert die Werbung, die im Wesentlichen zur Konsumförderung beiträgt. Wer nicht wirbt, der stirbt.
Werbung ist vor allem, und nicht nur, ein Betätigungsfeld Kreativer, neben Konsumforschern, Marktforschern, Marketingstrategen, Psychologen, Kaufleuten, Mathematikern, Soziologen usw. Konzerne der Industrie und der Wirtschaft streben nach Gewinnmaximierung um letztendlich den Kreislauf des Systems aufrechtzuerhalten. Um diesen Konsumkreislauf aufrechtzuerhalten und zu fördern, bedarf es der Werbung. Wohlstand und Innovationen auf den Gebieten der Technik, des Lebensstandarts, der Gesundheit, der Medizin sind die positiven Seiten, abhängige Arbeit für den Großteil der Bevölkerung, Arbeitslosigkeit, prekäre Arbeitsverhältnisse, befristete Arbeitsbeziehungen, der Zuwachs an Minijobs, eine abbröckelnde Mittelschicht, der Zuwachs an einer ärmeren Schicht und gleichzeitig die unverhältnismäßig starke Anhäufung von Reichtum, die weniger schönen Seiten der soziologischen und soziostrukturellen Entwicklung unserer westlichen Industriestaaten. Die Kluft zwischen arm und reich vergrößert sich zunehmend und scheint irreversibel zu sein. Als ein krasses Beispiel kapitalistischer Auswüchse mit extremen gesellschaftlichen Gegensätzen führt uns die USA vor Augen.
Konsum und immer mehr Konsum bedarf einer Weckung von immer weiteren und neuen Bedürfnissen, Innovationen und auch der Produktion minderwertiger technischer Produkte mit einkalkuliertem Produktlebenszyklus (kalkulierte Sollbruchstelle). Der Konsumkreislauf im Bereich der Technik sieht vor, dass nicht mehr repariert, sondern ausgetauscht oder gleich weggeworfen und neu angeschafft wird. Der heutige technische Stand der Forschung würde es erlauben, langlebige Konsumprodukte zu produzieren und zu vermarkten, wovon aber die meisten Konzerne kein Interesse bekunden. (Die deutsche Unterhaltungselektronik aus den 1950-er Jahren – made in germany – funktioniert auch heute noch.) Im IT- und Kommunikationssektor lösen sich Produktneuheiten und Modellfolgen in immer kürzeren Intervallen ab. Up to date sein, dabei sein, heißt die Devise..
Die Erfindung stets neuer Bedürfnisse erobert immer neue Märkte. Innovation ist gefragt. Und da sind Forschung und diese mit der Konsumwerbung wirklich kreativ. Von einem Werbeetat eines Konzerns hängen ganze Branchen ab, die Strukturierung reicht von den millionenverschlingenden Etats der Konzerne an Agenturen, Studios und deren Angestellten, bis hin zum Einmann/Einfrau-Unternehmen.
Doch Kreative finden hier ihr Auskommen. (Texter, Grafiker, Designer, Fotografen, Creativ und Art Directoren…) Zwar sind es in den Strukturen der Werbeindustrie in der Regel festzementierte Karrieren, die bewältigt werden wollen, doch jedes Rädchen in dieser komplexen Maschinerie steht unter dem Scheffel des Kapitals, wie alle Unternehmen in der freien Marktwirtschaft mit allen wirtschaftlichen Abhängigkeiten. (Für einen Werbegrafiker in den Mitfünfzigern zum Beispiel, der bisher etwa als Angestellter ein solides und konstantes Einkommen erzielen konnte, kann eine Werbeetatstreichung seitens eines Konzerns nicht nur der Agentur sondern auch den angestellten Kreativen das Aus bedeuten. Ohne Kontakte, ohne Netzwerk keine Chance mehr wieder Fuß zu fassen. Das war´s dann. Und hier sind die Mechanismen, Regeln und Gesetze der Marktwirtschaft wirklich hart genug. Beispiele aus der Branche sind hinlänglich bekannt.)
Konzerne der Wirtschaft und der Industrie üben Macht aus. Auf den unmündigen Konsumenten, auf die Politik. Werbung ist auch Macht. Sie manifestiert sich durch Apelle an die konsumierende Bevölkerung. Machtstrukturen werden durch Kapital gebildet. Mit viel Geld kann man mittels Werbung alles verkaufen.
Vielmehr wäre in der Werbung von machtbesessener, hierarchischer und abhängiger Kreativtätigkeit zu sprechen, wobei hier alle Merkmale einer Leistungsgesellschaft zum Tragen kommen. Der Kreative hat qualitativ hochwertige Arbeit in einer oft knapp bemessenen oder angemessener Zeit zu liefern. (Gefangen im Hamsterrädchen des Erwerbswahnsinns.) Für die unteren Beteiligten in der Hierarchie der Kreativszene bleiben lediglich exekutive Aufgaben übrig. Ein einziges Versagensmoment genügt und das war´s dann wohl mit diesem Auftraggeber. Wer nicht liefert oder liefern kann, dem gehen die Lieferanten aus. Bingo. Unbescholtene Romantiker und zartnervige Muttersöhnchen sind hier fehl am Platz. Die Kreativbranche ist hartes Geschäft, Business, weniger kreative Muse, mehr Kreativität auf Knopfdruck, Erfolgszwang. Nur die Stärksten überleben, die sich den Mechanismen der Branche unterordnen können und auch wollen.
Der Garant westlicher kapitalistischer Gesellschaften für die Positionierung innerhalb der Gesellschaft ist Erfolg (ausschließlich basierend auf monetärem Erfolg). (Unter Erfolg im Leben ist aber bei weitem nicht nur pekuniärer Erfolg zu verstehen – Leben: scheitern/gescheit sein.) Dieses Klischee des Erfolges in wirtschaftlicher Prosperität macht sich die Werbung zunutze. Man will schließlich dazugehören, man identifiziert sich mit dem dargebotenen Lifestyle, den die Werbung in den Medien suggeriert. Lifestyle wird im Wesentlichen durch die Werbeindustrie geprägt. Hochpreisige Produkte für eine kaufkräftige Klientel bettet die Werbung in den Vorstellungen und dem Klassenbewusstsein im visualisierten Lifestyle ein. Die Sehnsucht nach Statussymbolen soll gefördert werden. Wer den Klischees der Werbung nicht entspricht, gehört nicht dazu, hat es nicht geschafft, wird als Verlierer, gar als Randexistenz der Gesellschaft abgestempelt. Jeder gesellschaftlichen Schicht werden must haves zugeordnet. Schöne heile Welt des Reichtums (des Guten), der Schönheit und des Konsums (der Wahrheit). (Ich konsumiere, also bin ich.)
Die Werbung macht sich visuelle Kommunikation mit ausgefeiltem, hochdifferenziertem psychologischem Kalkül zu nutze. Naturästhetik im Dienste des Konsums. Schönheit im Sinne ästhetischen Wohlgefallens ist immer fotogen und wird auch für diese psychologisch fundierten Absichten des Kaufanreizes benutzt. Wozu braucht die Werbung Bilder? Der schöne Schein des Auftritts bürgt für das angepriesene Produkt in Analogie. – Für was alles ein eleganter Frauenkörper stehen kann. – Sex sells. Werbepsychologen wollen verborgene Instinkte wecken und wenden visuelle Kommunikation zum Zwecke einer Sehnsuchtsgenerierung an. (Attention, interest, desire, action.)
Ein Teilbereich der Werbung, neben dem kreativen Part der Designer, ist das Marketing, die Vermarktung der Produkte und Dienstleistungen. Marketing ist auch Bestandteil der Ausbildung von Mediendesignern im Studium. (Die Parole AIDA wird im Marketing zur Strategie, hat nichts mit Kreuzfahrten oder der Musik Oper zu tun.) Im Berufsalltag übernimmt dies eine spezielle, kompetente Abteilung mit Experten auf ihrem Gebiet. Der kanadische Philosoph, Geisteswissenschaftler, Literaturkritiker und Kommunikationstheoretiker Marshall McLuhan (1911 – 1980) prägte einst die prägnanten und für die Werbung heute noch federführenden Worte „the medium ist he message“. Jedes Medium hat seine Eigenart, Werbung wird ihr unter ästhetischen und verkaufspsychologischen Aspekten der visuellen Kommunikation angepasst.
Kreative Werbebotschaften, sei es im statischen Bild oder in den audio-visuellen Medien, können durchaus künstlerische Qualitäten, was Psychologie und Ästhetik betrifft, erreichen. Man spricht ja auch von den angewandten Künsten, denen sich der (vormals) Gebrauchsgrafiker, Grafiker, Designer, Werbegrafiker und Texter unterordnet. (Es gibt auch Künstler, die berechnen ihre Bilder.) Die Kreativbranche kürt ihrerseits in internen Interessensgemeinschaften oder Clubs ihre zu Erfolg gebrachten Stars im jeweiligen Metier. Werbung, Werbeästhetik, visuelle Kommunikation und Werbepsychologie ist stets Kalkül.
Unter ästhetischer Vollkommenheit und psychologischem Kalkül soll letzten Endes ein Kaufanreiz zu Stande kommen. Dies ist angewandte Psychologie und angewandte Kunst im Dienste der Marktwirtschaft. (Angewandte Künstler bewegen sich bei weitem nicht nur auf dem Gebiet der Werbung, sondern tragen viel für das Aussehen der kulturellen Landschaft bei – Buchgestaltung, Plakatgestaltung, Illustration, Cartoon, Typografie, Schriftgestaltung, didaktische Gestaltung, Corporate Design, Zeitschriftengestaltung, Print Design, Web Design usw., das Feld ist weit.)
Bitte keine Werbung!
Sein
Selten mit Worten
und schon durch den Schleier,
unzuständig zu richten,
weil die Kreise im See
nicht wissen vom geworfenen Stein,
ohne Beharrungsvermögen im Hinblick
auf die Wege des Wassers unter der Erde.
Nicht Gegenteile nicht Teile –
das Ganze, gespiegelt vom fallenden Tropfen,
Traum von der Kugel, Licht im Kristall.
Ins Ohr der Stille geschwiegen
Gedanke, der wieder am Quell spielt.
Vertrauen in das, was ich nicht weiß,
Abenteuer, am Mund
einer ungeheuern Höhle zu wohnen.
Säen, wo morgen
andere ernten,
Narben, die langsam
tragfähig werden.
(Erika Burkart)